Liebe Leserin, lieber Leser,
vor fünf Jahren habe ich den massel Verlag gegründet und mein Pseudonym Paul Andersson geschaffen. Ich wollte vieles anders machen. Aber das meiste hat sich anders ereignet. Es gab einen Plan, aber das Leben spielte seine eigene Melodie. Mit dem NACHHALL habe ich schließlich versucht, diesen unhörbar leisen und unerträglich lauten Tönen eine neue Form zu geben. Argumente zu bewahren und sie einzupflanzen in unsere Herzen, um herauszufinden welche Früchte entstehen.
Ganz aktuell sind dies die beiden Bücher „Zwischentöne“ von Charles Eisenstein und „Ausgegendert“ von Gerald Ehegartner. Beide Bücher wären ohne den NACHHALL niemals im massel Verlag erschienen. Anstelle eines Editorials möchte ich daher zu diesen Neuerscheinungen meine Gedanken mitteilen – und andeuten, warum ein fast fertiges Büchlein in letzter Minute eben doch nicht gedruckt werden konnte. Der Grund war nur ein Wort.
„Ihre Newsletter lese ich gerne auch wenn ich niemandes Bücher lesen mag, der Sklavenhalter und Rechtsradikale unterstützt.“
„Den Israel/Palästinenser-Artikel finde ich persönlich ebenfalls schwierig. Meinungsfreiheit in allen Ehren, aber das Thema ist sowieso unlösbar und wenn man dann so einseitig argumentiert, hilft es nicht gerade.“
„Ich bin vorsichtig. Ich lese privat und persönlich nur noch Autoren, die auf der Seite Israels stehen.“
Diese Leserzuschriften und Gespräche mit Freunden und Bekannten haben mir im letzten halben Jahr so manche schlaflose Nacht bereitet. Beim Thema Israel, so scheint es, endet alle Toleranz! Auch bei mir? Und warum ist das so? Ja, ich argumentiere einseitig für Israel. Mir sind dabei drei Punkte wichtig:
1. Meine Gedanken sind nicht unfehlbar, sondern Ergebnis meiner Begegnungen mit Menschen. Ich höre und akzeptiere andere Meinungen, bin aber äußerst skeptisch, wenn Gesprächspartner felsenfest von ihrer Wahrheit überzeugt sind, obwohl es sich häufig um Binsen oder Hörensagen handelt. Vielleicht schwingt auch mein Glaube an Gott und ein Volk Gottes mit, die mir die Kraft geben zu unterscheiden – und insbesondere immer zu hinterfragen.
2. In dem Begriff „Israel“ höre ich verschiedene Töne, die absichtlich oder unwissentlich vermischt werden und dann schnell schräg klingen. Da gibt es den Staat, der mit einem Ministerpräsidenten und einer parlamentarischen, repräsentativen Demokratie nur so gut sein kann wie die Menschen, die diese politischen Ämter ausfüllen. Die Schwächen der westlichen Demokratien
erleben wir von Argentinien, über die USA und Deutschland bis natürlich auch Israel. Im Staat geht es oft um Macht und wirtschaftliche Interessen. Dann gibt es das Land Israel, dieses schmale Gebiet zwischen Mittelmeer und Jordan. Hier lebten viele verschiedene Völker und Kulturen, mal mehr oder wenig friedlich miteinander. Hier entstanden Tempel, Moscheen und Kirchen, die bis heute von der ganzen westlichen Welt als Heiligtümer anerkannt sind. Diese historischen und geografischen Stätten können nicht wegdiskutiert oder geleugnet werden.
Und 3. gibt es da die „geistige“ Dimension. Mir fehlen dafür die Worte. Aber es oder sie ist der Ursprung dessen, was mich frei macht. Denn es gibt etwas, das nicht von dieser Welt ist. Etwas, das Leben schenkt und Frieden stiftet. Ich kann es nicht machen, nicht erzwingen – nur geschehen lassen, in Ehrfurcht empfangen. Die Juden haben vor ca. 4.000 Jahren etwas entdeckt und aufgeschrieben, das auch und immer noch für unsere moderne Gesellschaft Heil bringen kann. Jesus hat diese Geschichten des alten Testamentes gekannt und sie bis zum Tod und darüber hinaus mit dem eigenen Leben bezeugt.
Die Konflikte, die auch bei uns hochkochen, gehen meiner Meinung nach alle auf diesen einen „wunden“ Punkt zurück. Gibt es einen Gott – oder brauchen wir als Gesellschaft so etwas wie Religion? Ist der Mensch nicht gut genug? Er kann doch alles selbst schaffen!
Charles Eisenstein behandelt in seinem Essayband „Zwischentöne“ die Reizthemen Gaza und Trump mit großem Mitgefühl. Dabei lässt er aber eine Note großzügig aus: religiös motivierte Gewalt entsteht überall da, wo sich staatliche Gewalt mit göttlicher Autorität vereint und die Menschen versklavt. Besonders gefährlich, nach innen wie nach außen, sind meiner Meinung nach die Evangelikalen in den USA, die in Trump ihren Messias gefunden zu haben glauben – und die islamischen Königshäuser und Religionsführer, die die Scharia in der ganzen Welt einführen wollen. Im Gegensatz zu den Juden sind beide Gruppen missionarisch und aggressiv.
In den alternativen Medien beobachte ich zwei Strömungen, die mir Sorgen bereiten. Im andauernden Widerstand gegen den sogenannten Mainstream wird oftmals voreilig und unlogisch das Narrativ des vermeintlichen Underdogs übernommen und überhöht. Maß und Mitte gehen verloren. In der Abwehr von Weltuntergangserzählungen werden ebenfalls Ängste geschürt, die ersteren in nichts nachstehen und ihrerseits Haß und Spaltung hervorbringen. Letztlich legitimieren sie Gewalt.
Die zweite Strömung ist motiviert vom Mammon (Geld). Mit der Verbreitung von Verschwörungstheorien lässt sich prächtig Geld verdienen. Cui bono – wem nützt es? So interessant und amüsant ich Verschwörungstheorien und ihre Enthüllungen auch finde, wer weiß, ob nicht auch dahinter eine Verschwörung steckt? Und ganz am Ende sind (natürlich) die Juden schuld! Wir brauchen Sündenböcke. Deshalb haben wir Jesus ans Kreuz geschlagen, den König der Juden.
Was könnte meine Antwort sein? Wo finde ich Heil? In der Gemeinschaft, in der Familie, mit Menschen, denen ich begegne und die in Verbundenheit leben wollen. Das ist jeden Tag ein Wunder, aber es ist wirklich möglich. Wir können das Paradies auf Erden hier und jetzt sein.
Hoffnungsfroh, aber auch sehr zweifelnd, was die weitere Zukunft des NACHHALL angeht, möchte ich mit einem Gedicht von Rose Ausländer enden:
Wir wohnen
Wort an Wort
sag mir
dein liebstes
Freund
meines heißt
DU
Beten wir gemeinsam für Frieden in der Welt
Paul Andersson, Herausgeber
PS: Auf meinem Blog werde ich noch ein paar Gedanken zum Buch „Ausgegendert“, insbesondere zur Covergestaltung formulieren und noch ausführlich vom Schmerz erzählen, den das Nichterscheinen des Buches „Anders als es einmal war“ ausgelöst hat.
Impressum
Herausgeber: massel Verlag, Herzog-Wilhelm-Str. 25, 80331 München
Redaktion (V.i.S.d.P.): Paul Andersson – redaktion@nachhall.net
Layout: jedernet GmbH; Druck: Miraprint Offsetdruck Beiner KG
Papier: GMUND no color no bleach, JUPP crääm
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