Die ARD Themenwoche beschäftigte sich vom 6. bis 12. November 2022 mit dem „Wir“. Eine Sendung trug den Titel „Wie geht Wir? – Experiment am Berg“. In der Dokumentation trafen sechs Menschen aufeinander, die gemeinsam einen 4000er in den Schweizer Alpen besteigen sollten.
Die Dokumentation zeigte sehr authentisch (auch wenn sie entgegen der Verlautbarung der ARD auch gescripted gewesen sein kann) wie schwer es ist, dass sich die verschiedenen Gruppen unserer Gesellschaft verständigen. Wir müssen reden, aber gelingen kann es nur, wenn wir uns zuhören und die Person und Lebenswahrheit des jeweils anderen kennenlernen wollen.
Am ersten Abend stellten sich die Teilnehmenden gegenseitig vor: David, 46 Jahre alt, Unternehmer aus NRW; Bjeen, 30 Jahre alt, Integrations-Preisträgerin aus Hessen; Frieder, 52 Jahre alt, Zweiradhändler aus Sachsen; Maja, 24 Jahre alt, Klima-Aktivistin aus Bayern; Antonio, 50 Jahre alt, Fahrradkurier aus Hessen; Philine, 32, Queere Theater-Regisseurin aus Baden-Württemberg.
Zwei Szenen sind mir und vielen Zuschauern besonders im Gedächtnis geblieben, weil sie die Doppelmoral einiger Menschen anschaulich machten. Als Bjeen erfuhr, dass Frieder aktives Mitglied der AfD ist, verweigerte sie das Gespräch und verließ am darauf folgenden Tag das Experiment. Sie wolle der AfD keine Bühne bieten, sagte sie und beraubte sich damit der Möglichkeit einen Menschen kennen und verstehen zu lernen. Frieder wurde mit ihrem Vorurteil gebrandmarkt – Basta! Für eine gebildete Frau, die von der Bundesregierung für ihre Integrationskurse ausgezeichnet wurde, ein starkes Stück.
Bjeen selbst schreibt auf ihrer Website: „Deutschland ist unser (neues) Zuhause; Wenn wir zusammenhalten, können wir es zu einem besseren Ort machen. Mit Solidarität und Verständnis schaffen wir das.“ Schade, dass diese Solidarität und das Verständnis nur von ihr eingefordert wird, sie aber nicht bereit scheint, es einem Christen, 6-fachen Vater, Arbeitgeber von 14 Menschen und Mitglied im Sportverein entgegen zu bringen.
Die zweite Szene kommt unerwartet und wirkt in ihrer Emotionalität tatsächlich inszeniert. Frieder beginnt auf der Wanderschaft zu schluchzen, ruft Philine zu sich und wirft sich ihr in den Arm. Unter Tränen entschuldigt er sich bei ihr für sein Vorurteil: eine „Kampflesbe“ hatte er erwartet, aber ein liebe Freundin gefunden. So geht Wir! Die Gruppe und die Zuschauer jubeln über die gelungene Missionierung des verlorenen Sohnes.
Dabei ist mir diese Szene ein noch größeres Ärgernis als die Szene mit Bjeen. Denn Philine hätte jetzt die Chance sich ihrerseits bei Frieder zu entschuldigen und ihr qeeres Weltbild zu hinterfragen. Vielleicht sind doch nicht alle Menschen, die sich in der AfD engagieren oder diese Pfui-Partei wählen, Teufel? Stattdessen verlangt Philine von Frieder die Partei zu verlassen, was dieser am Abschiedsabend auch feierlich verspricht.
Mir fallen unweigerlich die Worte Jesu ein: „Oder wie kannst du zu deinem Bruder sagen: Lass mich den Splitter aus deinem Auge herausziehen! - und siehe, in deinem Auge steckt ein Balken! Du Heuchler!“ Matthäus 7:4
Ich kann nicht über die AfD urteilen, noch weniger über ihre Mitglieder. Ich kenne weder die Ziele der Partei, noch habe ich Menschen kennengelernt, deren Herz wirklich für die AfD schlägt. Alles was ich bisher über diese Partei gehört habe, sind grobe Vereinfachungen und Unterstellungen. Wenn aber ein Mitglied dieser Partei etwas kritisiert, so wie Frieder, der sein christliches Weltbild in keiner anderen Partei mehr vertreten sieht, dann ist er ein rechtsextremer Rassist. Und solche Leute wie Frieder darf man diskriminieren und demütigen.
Auch wenn ich Frieder nicht persönlich kennengelernt habe und die Dokumentation der ARD natürlich zu kurz greift, um diesen Menschen ehrlich beurteilen zu können, so möchte ich ihm doch das Schlußwort dieses Editorials überlassen und ihm Gottes Segen wünschen!
Paul Andersson, Herausgeber
„Überhaupt geht es in unserer Gesellschaft immer öfter darum, sich gegenseitig zu beweisen, dass man im Recht ist. Das führt aber dann eben zu keinem Wir. Da muss man sich dann vielleicht mal zuhören…“
Frieder Jäckel, Ölsnitz
Impressum
Herausgeber: massel Verlag, Herzog-Wilhelm-Str. 25, 80331 München
Redaktion (V.i.S.d.P.): Paul Andersson – redaktion@nachhall.net
Layout: jedernet GmbH; Druck: Miraprint Offsetdruck Beiner KG
Papier: GMUND no color no bleach, JUPP crääm
© Copyright: Alle Rechte vorbehalten. Das Urheberrecht liegt bei den Autoren. Die Artikel stellen nicht unbedingt die Meinung der Redaktion dar. Die Loseblattsammlung und alle in ihr enthaltenen Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Kein Teil dieser Loseblattsammlung darf ohne schriftliche Genehmigung des Herausgebers in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Scan, Online, etc.) reproduziert werden.